"Mensch achte den Menschen!"

Abschlussschüler der Stufen 9 und 10  besuchen die Gedenkstätte in Hadamar

 

Hadamar – ein kleines Städtchen in Hessen, ein wenig Regen liegt in der Luft, als wir dort ankommen, ein leichter Nebel hängt über dem Mönchsberg, auf dem wir die Umrisse der Klinik erkennen.  Nur wenige Menschen wussten, was hinter den Mauern des Klinikums auf dem Berg über Hadamar wirklich geschah. Etwa 110 Abschlussschüler der Stufen 9 und 10 unserer Schule sind auf den Spuren der NS-Geschichte in Hadamar. Wir berichten euch  von diesem Tag und dem, was wir dort   erfahren und erlebt haben.

Diese Exkursion wurde durch die Partnerschaft für Demokratie Koblenz im Rahmen des Bundesprogramms "Demokratie leben!" und das Kultur- und Schulverwaltungsamt der Stadt Koblenz gefördert. 

 Bereits 1906 wurde in Hadamar eine Klinik für psychisch erkrankte Menschen gegründet. Zwischen 1941 und 1945 wurde diese Landesheilanstalt Hadamar dann  zu einer Tötungsanstalt der nationalsozialistischen

Euthanasie.

Euthanasie kommt aus dem Griechischen und bedeutet „schöner Tod“.

 

Was bedeutete das für die Patienten

der Klinik in Hadamar? 

 

                            Die Fakten

Hier wurden im NS- Deutschland von 1941 bis 1945, also innerhalb von nur vier Jahren, fast 15.000 Menschen, die unter körperlichen und geistigen Behinderungen sowie unter psychischen Erkrankungen litten, brutal und gnadenlos ermordet. Hadamar war keine Klinik mehr, sondern eine von sechs Tötungsanstalten in ganz Deutschland.

Unter dem Kommando T4, so hieß das NS-Codewort, benannt nach Leitzentrale für die Ermordung behinderter Menschen in ganz Deutschland in der Tiergartenstraße 4 in Berlin, starben in Hadamar mehr als 15.000 Menschen. Die Tötungsanstalt Hadamar war die 6. und letzte Zentrale zum Töten, die die T4 einrichtete.

Diese harten Fakten, von denen wir während unseres Rundganges durch die Gedenkstätte erfuhren, waren uns nicht neu, wir waren darauf vorbereitet im Geschichts-, Sozialkunde- und auch Reli-Unterricht. Dennoch hier zu stehen und zu wissen, was sich hier abgespielt hatte, ist etwas ganz anderes und ließ uns alle  nachdenklich werden.

 

               Der Keller der Tötungsanstalt von Hadamar

 

Die psychisch und physisch erkrankten und behinderten Menschen wurden in einer Gaskammer im Keller, die als Dusche getarnt war, mit Kohlenmonoxid ermordet, daraufhin wurden die Leichen  in den beiden Verbrennungsöfen verbrannt.

Den Geruch konnte man auf den Straßen in Hadamar riechen. Den Rauch, der regelmäßig aus dem Schornstein über der Klinik aufstieg, konnte man deutlich sehen,

Schweigend stehen wir im Keller, wo die Verbrennungsöfen einmal standen, und spüren die Atmosphäre von damals nach, wie diese Menschen zu Hunderten hier umgebracht, vergast und anschließend verbrannt wurden, versuchen uns die Hitze hier unten, den Geruch, das Schreien der Menschen vorzustellen, eine bedrückende Vorstellung.

 

Auch vor der Gaskammer, die wir im Keller sehen konnten, stehen wir schweigend, ein kahler, gefliester Raum mit Duschköpfen unter der Decke und großen Stahltüren,  in denen kleine Fenster eingelassen sind. Hinter diesen stand jeweils einer der vier Ärzte, die in Hadamar ihren Dienst verrichteten.

Denn es waren die Ärzte, die den Gashebel umlegten und das tödliche Kohlenmonoxid in die Gaskammer einströmen ließen, deren eigentliche Aufgabe aber es ist, Menschenleben zu heilen und zu retten. Aber nicht in Hadamar.

 

Gleich hinter der Gaskammer standen die beiden Seziertische. Hier wurden die Leichen aus der Gaskammer untersucht und seziert.

Noch bis in die 80er Jahre hinein wurden die hier entnommenen Gehirne der Getöteten Medizinstudenten zu Forschungszwecken zur Verfügung gestellt, erfuhren wir in der Führung.

 

                                                                        Die Busgarage

Im Jahr 1941 arbeiteten ungefähr 100 Personen in der Tötungsanstalt. Die Patienten wurden mit grauen Bussen der Transportgesellschaft, welche Aktion T4 gehörte, nach Hadamar gebracht. Sie hielten in der hierfür erbauten Garage und ließen die Insassen der Busse aussteigen.

Wir stehen in der  noch original erhaltenen Busgarage aus dunklem Holz an diesem nasskalten Morgen und versuchen uns vorzustelllen, wie diese Menschen sich gefühlt haben mussten, wenn sie hier aus den grauen Bussen ausstiegen und durch den Hintereingang, vor fremden Blicken geschickt durch überdachte Gänge und Holzverschläge ferngehalten, in die Klinik geführt wurden.

 

Auf den ersten Blick schien es für die Ankommenden wirklich ein Krankenhaus zu sein, man sah einen Rollstuhl in der Ecke stehen, ein, zwei Krankenbetten im Flur, und weißgekleidete Ärzte und Schwestern gaben den Anschein, in einem Krankenhaus, in einer Klinik angekommen zu sein. 

Nach der Ankunft mussten die Patienten sich in einem großen Saal ausziehen und die Personalien wurden geprüft. Anschließend wurde von einem „Tötungsarzt“ die Todesursache festgelegt, welche in den falschen Dokumenten stehen sollte.

Familie und Verwandte der Getöteten wurden in einem Trostbrief informiert, allerdings waren die Angaben über den Todeszeitpunkt, die Todesart und häufig auch über den Todesort gefälscht.

Die Angehörigen konnten eine Urne anfordern, diese enthielt nur nicht die Asche des verstorbenen Familienmitglieds.

 

Ab 1942 änderte sich das NS_Euthanasieprogramm in Hadamar. Die Nazis begannen nun ihre Tötungen in Hadamar zu tarnen. Die Menschen wurden nun nicht mehr im Keller vergast und anschließend verbrannt, nein, man suchte sich andere Wege.                                                                       Dezentrale Euthanasie nannte man diese Phase, in der die Menschen absichtlich durch Vernachlässigung, Nahrungsentzug oder mit zu hoch dosierten Medikamenten zu Tode kamen. Man spritzte ihnen Luft in die Adern, gab ihnen eine Überdosis an todbringenden Medikamenten, man gab ihnen nichts zu essen und zu trinken, die Menschen blieben sich selbst überlassen, sie verwahrlosten, blieben ohne Hilfen und starben einen traurigen, qualvollen Tod. 

1945 wurde die Stadt genauso wie die Anstalt Hadamar schließlich von US-amerikanischen Truppen befreit.

Heute befindet sich in den Räumen eine Gedenkstätte.

 

Hadamar – ein Ort, der uns mahnend bis heute viele Fragen stellt. Wie konnte das geschehen? Wie war das möglich geworden? Eine menschenverachtende Maschinerie des Tötens.

„Mensch achte den Menschen“ – so steht es heute auf der Stele auf dem Friedhof oberhalb der Klink, der von den Nazis damals als Massengrab benutzt wurde. Ein Appell, der uns alle aufruft, das zu schätzen, was bis heute so wichtig und wertvoll ist:  Achtung, Toleranz und Respekt voreinander.

 

Texte und Fotos: Pascal Krason, Jona Deffner, Enya Rust,10c und Karoline Herz, April 2024